Experten warnen vor DSA-Meldestelle „Respect!”: „Eine linke Vorfeldorganisation, die staatlich finanziert wird, wird dazu genutzt, Bürger zu kontrollieren”

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Besonders die Grünen in der Ampel-Regierung befürworten das Melden und Löschen von „Desinformation“.

05.10.2024 – 06:59 Uhr

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Zara Riffler

Eine staatlich finanzierte Meldestelle – die aus einem linksgrünen NGO-Netzwerk stammt – soll nun darüber entscheiden, ob Beiträge wegen vermeintlicher „Fake News“ oder „Desinformation“ aus dem Netz gelöscht werden. Experten schlagen bei NIUS Zensur-Alarm. 

Die private Meldestelle „Respect!“ wurde nun von der Ampel-Regierung als ersten „Trusted Flagger“, einen „vertrauenswürdigen Hinweisgeber“, zugelassen. Konkret: Von der Bundesnetzagentur. Damit setzt die Bundesregierung weiter den umstrittenen Digital Services Act (DSA) der EU um, der als deutscher Ableger (Digitale-Dienste-Gesetz) im Frühjahr 2024 den Bundestag passierte.

Das ist die Meldestellen-Webseite von „Respect!“
Das ist die Meldestellen-Webseite von „Respect!“

Das angepriesene Ziel: Hassrede und Fake-News im Netz verhindern. Bei „Respect!“ kann sich jetzt melden, wer vermeintlich illegale Inhalte oder Fake News entdeckt. Die genaue Definition von „Fake News“ oder „Desinformation“? Unklar! Anschließend soll die Meldung „von Experten“ gecheckt und an entsprechende Plattformen, vereinzelt sogar an das Bundeskriminalamt, weitergeleitet werden. Laut Bundesnetzagentur konzentriere sich Respect! als Trusted Flagger vor allem auf Plattformen wie „Facebook, X, Instagram, TikTok, YouTube und Telegram“. 

Mehr noch: „Plattformen sind verpflichtet, auf Meldungen von Trusted Flaggern sofort zu reagieren. Illegale Inhalte, Hass und Fake News können sehr schnell und ohne bürokratische Hürde entfernt werden“, verkündet Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller. 

Wirbt mit seinem Gesicht dafür: Bundesnetzagentur-Sheriff Klaus Müller (Grüne) ist ersichtlich stolz auf das DSA-Vorhaben.
Wirbt mit seinem Gesicht dafür: Bundesnetzagentur-Sheriff Klaus Müller (Grüne) ist ersichtlich stolz auf das DSA-Vorhaben.

Grünen-Ministerium finanziert die DSA-Meldestelle

Die Ampel-Regierung scheint sich bei diesem fraglichen Vorgang einig zu sein:

  • Schon letztes Jahr hörte man immer wieder aus der Ampel heraus, dass zum Beispiel Innenministerin Nancy Faeser (SPD) eine Befürworterin des Gesetzes sei.
  • Bundesdigitalminister Volker Wissing (FDP) teilte im Mai mit: „Nie war eine starke Plattformaufsicht so wichtig wie heute.“
  • Auch Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) gilt intern als Verfechterin des DSA. Erst im Juni sagte die Außenchefin, man dürfe nicht einer „Handvoll CEOs“ die Regeln der Kommunikation von Millionen Menschen überlassen. „Deswegen hat die EU den Digital Service Act erlassen, durch den große Technologieunternehmen mit mehr als 45 Millionen Usern dazu verpflichtet werden, Falschinformationen schneller zu löschen.“
  • Auffällig: Die Meldestelle Respect! wird bereits durch das Familienministerium von Lisa Paus (Grüne) staatlich gefördert.

Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller (Grüne) mit seinem Vertrauten Minister Robert Habeck (Grüne).
Bundesnetzagentur-Chef Klaus Müller (Grüne) mit seinem Vertrauten Minister Robert Habeck (Grüne).

Experten warnen vor Denunziation

Kritiker sehen diesen Schritt höchst problematisch hinsichtlich Meinungs- und Pressefreiheit. Denn es gibt für rechtswidrige Inhalte eigentlich eine staatliche Struktur aus Justiz und Polizei – die wird aber nun ergänzt mit einer staatlich-geförderten Meldestelle.

Der renommierte Rechtsexperte Joachim Steinhöfel meint zu NIUS: „Die steuergeldfinanzierte Einrichtung von ‚vertrauenswürdigen Hinweisgebern‘ ist eine rechtsstaatliche und verfassungsrechtliche Perversion.“ Denn: „Für Straftaten sind Polizei und Staatsanwaltschaften zuständig, beide notorisch unterfinanziert. Statt das Geld in rechtsstaatliche Institutionen zu investieren, landet es bei fragwürdigen staatlichen Vorfeldorganisationen.“

Ampel-Politiker fürchten ihn: Anwalt Joachim Steinhöfel kämpft für die Meinungsfreiheit.
Ampel-Politiker fürchten ihn: Anwalt Joachim Steinhöfel kämpft für die Meinungsfreiheit.

Der bekannte Staatsrechtler Volker Boehme-Neßler sagt: „Wir schaffen uns mit dem DSA-Meldesystem eine Denunziations-Gesellschaft.“ „Statt ausgebildeter Polizisten und Juristen sollen jetzt Laien in Meldestellen darüber entscheiden, ob Meinungsäußerungen ihrer Ansicht nach rechtswidrig sind“, so Boehme-Neßler gegenüber NIUS.

Auch die FDP-Politikerin Katja Adler hält den Ampel-Vorgang für falsch. „Hass und Hetze im Netz muss, auch angesichts des Ausmaßes, dringend begegnet werden.“ ABER: „Die Frage nach dem wie und vor allem durch wen dies geschehen soll, jedoch mit NGOs wie ‚Respect!‘ als ‚Trusted Flagger‘ zu beantworten, halte ich für falsch“ kritisert Adler bei NIUS. „Die Bundesnetzagentur hat sich hier einen Leitfaden zur Zertifizierung von ‚Trusted Flaggers‘ geschaffen, der sehr undurchsichtig erscheint.“

Auch Lisa Paus' Parteifreundin Annalena Baerbock (Grüne) sprach sich für den Digital Service Act aus.
Auch Lisa Paus’ Parteifreundin Annalena Baerbock (Grüne) sprach sich für den Digital Service Act aus.

Rechtsexperte deutlich: „Das ist ein Akt der Zensur“

Der Strafrechtler Udo Vetter schlägt Zensur-Alarm! Er sieht verfassungsrechtliche Bedenken. Im Gespräch mit NIUS sagt er: „Es ist im Prinzip eine Zensur durch die Zensurbehörde – nicht mehr durch die Hintertür, sondern man marschiert durch den Vordereingang.“ Alles, was bisher an problematischer Meldestruktur existiert, drohe institutionalisiert zu werden. „Die Meldestruktur ist damit staatlich legitimiert.“ 

Vetter erklärt: „Wir haben es mit einem geschaffenen Meinungs-TÜV zu tun. Wenn der TÜV gerufen wird und keine Plakette vergibt, wird der Meinungsbeitrag gelöscht. Das Portal muss schnell reagieren. Schon im benutzten Wort müssen von Netzagentur-Chef Klaus Müller steckt der staatliche Zwang.“ Auch das verwendete Wort „schnell“ von Müller bedeute eine „faktische Ausschaltung des Rechtsweges“, meint der Jurist.

Rechtsexperte Udo Vetter sieht die Freiheit in Gefahr.
Rechtsexperte Udo Vetter sieht die Freiheit in Gefahr.

„Jeder gelöschte Post: Das ist ein Akt der Zensur!“, betont Vetter deutlich.

Wer die Diktatur China kritisiere, „weil die Bürger im Netz nichts sagen dürfen, ohne dass hunderttausende Kontrolleure es weglöschen, der kann nicht die neuen Reglungen beklatschen. Die Freiheit ist halt dann wirklich weg. Entweder es gibt die Freiheit oder es gibt keine Freiheit.“ 

„Wird genutzt, um Bürger zu kontrollieren“

Weiter meint Udo Vetter: „Eine offenbar linke Vorfeldorganisation, die staatlich finanziert wird, wird dazu genutzt, Bürger zu kontrollieren, was diese auf X schreiben. Das ist höchst bedenklich. Und wenn zum Beispiel X nicht sofort und schnell reagiert, kriegt die Plattform Ärger.“ 

Seine Prognose: Dann könnte es bald „gefilterte Meinungsfreiheit nur noch durch Respect!-Gnaden geben“.

Werden bald etwa regierungskritische Meinungsbeiträge auf X vermehrt gelöscht?
Werden bald etwa regierungskritische Meinungsbeiträge auf X vermehrt gelöscht?

Der Rechtsexperte prognostiziert weiter, dass der „nächste Schritt“ sein könnte, durch den Kurznachrichtendienst X zu verbieten. „Sie können in den nächsten Jahren sagen, wie viele tausende Beschwerden sie gesammelt haben und es als Argumentations-Belege anführen, weshalb man X aus der EU und Deutschland verbannen müsse.“

Ethik-Professor: „Wenn man seine Meinung nicht mehr sagen darf, ist es keine Demokratie mehr“

Der Professor und Wirtschaftsinformatiker Christoph Lütge sagt zu NIUS: „Das ist das Gegenteil von Freiheit.“ Deutschland dürfe den DSA – „der grundsätzlich auch nicht mit der EU-Charta vereinbar ist“ –, nicht mit dieser „Einseitigkeit umsetzen, mit Portalen, die bereits eine bestimmte ideologische Richtung haben“. 

Der Ethik-Experte erklärt: „Meldestellen sind ohnehin für die Meinungsfreiheit, die verfassungsrechtlich geschützt ist, problematisch. Und Trusted Flagger – was soll das sein? Die sollen die ganze Zeit auf der Suche sein, nach etwas, was ihnen nicht passt. Aus Demokratie-theoretischer Sicht: eine Katastrophe. Eigentlich sollte es bei der Gewaltenteilung eine gegenseitige Kontrolle von Gewalt geben – und eben nicht vom Staat geförderte Organisationen, um Kontrolle zu überprüfen.“

Philosoph und Professor Christoph Lütge schrieb den Bestseller „Und die Freiheit?“.
Philosoph und Professor Christoph Lütge schrieb den Bestseller „Und die Freiheit?“.

Lütge mahnt, dass Kategorien wie Desinformation oder Hatespeech ausgeweitet werden können. „Da kann alles Mögliche drunter fallen – man kann es beliebig ausdehnen.“ Der Professor weiter: „Wenn es keine persönlichen Beleidigungen sind, ist es meist von der Meinungsfreiheit gedeckt. Doch was hier entwickelt wird, ist ein Zensursystem. Wenn man seine Meinung nicht mehr sagen darf, ist es keine Demokratie mehr.“

Auch Lütge hält das Ampel-Vorhaben für verfassungswidrig. „Meiner Ansicht nach ist es nicht von der Verfassung gedeckt. Sondern es ist verfassungswidrig. Hier geht es eindeutig gegen Inhalte, die über das Illegale hinausgehen, also Inhalte, die nicht illegal sind.“

Seine Prognose? Freiheit bewahren! „Letztlich sind wir alle als Bürger dazu aufgerufen, unsere Freiheiten zu verteidigen und gegen solche Versuche der Einschränkung vorzugehen. Auch wenn sie mich als einzelnen zunächst vielleicht nicht selbst einschränken mögen, im nächsten Fall kann ich selbst betroffen sein.“

Diringer: Freiheit wird „mittlerweile meterweise ermordet“

Der bekannte Jurist Arnd Diringer hält das Vorhaben ebenso für höchst bedenklich. Auf X schreibt der Verfassungsrechtsexperte über einen Post der Bundesnetzagentur: „Freiheit stirbt immer zentimeterweise“, meinte der 2016 verstorbene FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle einst unter Bezug auf den großen Liberalen Karl-Hermann Flach. Mittlerweile wird sie meterweise ermordet.“