EU-Gruppe plant Echtzeit-Überwachung: „Damit würde der Datenschutz und folglich die Freiheit zentimeterweise sterben!“

Die EU zuständige Gruppe war vermutlich in Nordkorea und in China um sich zu informieren wie man den Bürger total überwacht !!!!!

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28.11.2024 – 06:12 Uhr

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Zara Riffler

Eine hochrangige EU-Gruppe fordert einen brisanten Datenzugriffs-Plan. Strafverfolgungsbehörden soll ein Echtzeit-Datenzugriff ermöglicht werden. Rechtsexperten und EU-Politiker sehen das im Gespräch mit NIUS als das nächste versteckte Überwachungsrisiko für den Allgemeinbürger. Ein Abgeordneter warnt sogar vor einer „staatlichen Gesinnungsschnüffelei“.

Kürzlich erst beschäftigten viele Bürger im Land die deutsche Umsetzung des „Digital Service Acts“ (DSA) der EU mit sogenannten „Trusted Flaggers“. Dass private Meldestellen für mehr Kontrolle im Netz sorgen, löste großen Wirbel aus. Kritiker sehen dies hinsichtlich der Meinungsfreiheit problematisch. Für rechtswidrige Inhalte gibt es eigentlich eine staatliche Struktur aus Justiz und Polizei – die wird jedoch jetzt ergänzt mit staatlich-geförderten Meldeportalen. Jetzt könnte ein neuer EU-Plan für Bürger problematisch werden.

Die „Hochrangige Gruppe zum Datenzugriff für eine wirksame Strafverfolgung“, kurz HLG, wurde 2023 von der EU-Kommission eingesetzt. Den Vorsitz hat die Kommission zusammen mit der rotierenden EU-Ratspräsidentschaft (Regierungen der EU-Mitgliedsländer).In einem Empfehlungsbericht fordert die EU-Gruppe ab 2025 für Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit der Echtzeit-Überwachung von Handys und Laptops. Ziel soll sein, Organisierte Kriminalität zu bekämpfen.

Doch Kritiker sehen bei der vorgeschlagenen Echtzeit-Überwachung von Kommunikationsdaten ein Risiko für Grundrechte und Privatsphäre. Zuvor machte auch der Europäische Datenschutzausschuss seine Bedenken in einer großen Stellungnahme kund, sprach sich dagegen aus – doch die hochrangige EU-Gruppe hatte dies offenbar nicht ernst genommen …

Die problematischen Pläne:

  • Strafverfolgungsbehörden sollen mit Anbietern (z. B. Facebook, Whatsapp, Instagram, Telegram, Signal) zusammenarbeiten können, damit dann ein Turbo-Zugang zu Kommunikationsdaten ermöglicht wird. 
  • Es soll Zugang zu Metadaten der Chats erhalten werden (z. B. Zeit, Ort, IP-Adressen). 
  • Behörden und Polizei sollen Zugang zu verschlüsselten Chats erhalten.
  • Messengerdienste, die sich nicht kooperativ zeigen, sollen Sanktionen erhalten.
  • Identifikationsdaten sollen gespeichert werden, damit jedweder User identifiziert werden kann.

Rechtsexperte: „Ohne richterlichen Beschluss reinhorchen“

Der Strafrechtler Udo Vetter meint zu NIUS: „Das Problem beginnt bereits damit: Was ist eigentlich Organisierte Kriminalität? Vieles, was heute stattfindet, könnte man mit etwas gutem Willen als Organisierte Kriminalität labeln. Zudem lehrt uns Juristen die Erfahrung, dass alles, was unter dem Label Terror- oder Kinderpornografie-Bekämpfung eingeführt wird, früher oder später aufgeweicht wird.“


Strafrechtler Udo Vetter

„Letztendlich trifft alles, was an technischen sowie juristischen Möglichkeiten eingeführt wird, früher oder später den Allgemeinbürger. Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie heute Opfer einer Telekommunikationsüberwachung werden, ist heute 10-mal größer als vor 20 Jahren“, sagt Strafverteidiger Vetter. Weiter erklärt der Rechtsexperte: „Nach heutigem Recht gibt es die Möglichkeit, die Kommunikation mit einem richterlichen Beschluss zu kontrollieren. Was diese EU-Gruppe jedoch will, ist, dass die Behörden OHNE richterlichen Beschluss, mit Anfangsverdacht, reinhorchen können.“

Das Ziel sei eine unverhältnismäßige Vorratsdatenspeicherung und Entschlüsselung, meint der Rechtsexperte Vetter. „Es geht denen darum, Daten vorsorglich von uns allen Bürgern zu sichern, um später auf diese Bestände zurückgreifen zu können. Ich denke, der Hintergrund ist, dass die Messengerdienste die gesamte Kommunikation nicht nur speichern müssen, sondern auch die Verschlüsselung auflösen können müssen.“ 

Bisher kann man nur zukünftig – durch einen Abhörbeschluss – auf Daten zugreifen. Auch gibt es Verschlüsselungstechnologie, die viele Polizeibehörden ohne großen Aufwand nicht knacken können. Genau das scheint dieser EU-Gruppe ein Dorn im Auge zu sein.

Brisant: „Stand jetzt ordnet ein Richter an, wann jemand überwacht werden kann. Was diese EU-Leute wollen, ist, dass man ohne juristische Kontrolle kurzfristig Kommunikation überwachen kann – egal ob verschlüsselt. Bei einem Verdacht kann man dann die Metadaten einsehen, z. B. wann hat der Verdächtige wen angerufen“, erklärt Vetter. Falls diese Empfehlung von der EU umgesetzt werden, bleibe der „Rechtsstaat auf der Strecke“.

Echtzeit-Überwachung bedeutet also in diesem Fall: Die Polizei bräuchte dann nicht mehr einen Überwachungsbeschluss zu erwirken ODER man stöbert in Vorratsdatenspeicherung ohne großen Zugriffsaufwand herum, gibt bestimmte Schlüsselwörter ein. 

„Datenschutz und damit Freiheit sterben zentimeterweise“

Auch der renommierte Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler sieht im Gespräch mit NIUS das Vorhaben der EU-Gruppe äußerst kritisch: „Der Datenschutz und damit die Freiheit sterben zentimeterweise. Es geht bei dem Thema um die Balance. Einerseits: um effektive Strafverfolgung – dafür muss man an Daten herankommen, das ist richtig. Aber andererseits: um das Schützen der Grundrechte und Privatsphäre der Bürger. Das sollte ausbalanciert werden! Doch das kommt durch diese Forderungen durcheinander.“

Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler
Verfassungsrechtler Volker Boehme-Neßler

Weiter kritisiert Boehme-Neßler: „Daten abgreifen darf man nur nach richterlicher Entscheidung, also der Richtervorbehalt. Doch hier wird offenbar dieser jetzt ausgeschaltet, wenn man automatisiert und beinahe in Echtzeit Daten abgreifen kann. Die Idee ist, dass hier Staatsanwalt und Polizei möglichst schnell Zugriff auf Daten haben – der rechtsstaatliche Richter, der die Abwägung trifft, jedoch ausgeschaltet wird.“

In der Kriminalistik sei Organisierte Kriminalität zwar recht klar definiert. Doch wenn „man mit Überwachungsmaßnahmen anfängt, fängt es meistens erst mit schweren Taten an, bei welchen klar ist, dass man diese Straftaten wie Terror oder Kinderpornografie bekämpfen muss. Aber dann kann still der Straftatkatalog immer mehr erweitert werden“, warnt der Jurist.

Vorratsdatenspeicherung 

Die sogenannte Vorratsdatenspeicherung wird kontrovers in Europa diskutiert. In Deutschland ist sie aktuell wegen Grundrechtsbedenken ausgesetzt.

Der Europäische Gerichtshof hatte die Vorratsdatenspeicherung deutlich abgelehnt und das damalige Gesetz gekippt, doch im Mai 2024 gab das EuGH plötzlich doch grünes Licht, Daten von Netz-Usern vorsorglich zu speichern, um bei einfachen Straftaten die Täter ausfindig zu machen (z. B. durch IP-Adressen). Im Hintergrund heißt es aus EU-Kreisen, dass einige EU-Regierungen Druck auf den EuGH ausgeübt hätten. Im Frühjahr hatte sich auch die Ampel-Regierung auf einen „Freeze“-Kompromiss geeinigt, in dem anlasslos bei einem Verdacht von schweren begangenen Straftaten folglich IP-Adressen „eingefroren“ werden können. 

Digitalexperte Breyer spricht von „Überwachungsschmiede“

Der Freiheitskämpfer Patrick Breyer (Piraten) beschäftigt sich seit Monaten mit dieser EU-Gruppe, forderte gar schon deren Auflösung. In seinem Blog warnt Breyer, es handele sich „in Wirklichkeit um eine intransparente Überwachungsschmiede“. Ziel sei es, „ungestört die Vorratsdatenspeicherung wieder einzuführen und Verschlüsselung auszuhebeln“.

Jurist und Bürgerrechtler Patrick Breyer (Piraten)
Jurist und Bürgerrechtler Patrick Breyer (Piraten)

Breyers Fazit: „Hier werden im Dunkeln undemokratische Vorverhandlungen geführt, die der nächsten EU-Kommission als Blaupause für zukünftige Überwachungsgesetze dienen sollen.“ Die Gruppe wolle Zugang zu „unseren Geräten (z. B. Smartphones, Smart Homes, Pkw)“. 

EU-Abgeordneter: „Könnte langfristig zu einer Überwachungsgesellschaft führen“

Der EU-Abgeordnete Friedrich Pürner (BSW) ist alarmiert. Bei NIUS kritisiert er, die EU mische sich zunehmend in nationale Angelegenheiten der Mitgliedstaaten ein. „Grundsätzlich gilt für Angelegenheiten, für die die EU NICHT ausschließlich zuständig ist, dass die EU nur dann tätig wird, wenn ihre Maßnahmen wirksamer sind als Maßnahmen auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene.“

EU-Abgeordneter Friedrich Pürner (BSW)
EU-Abgeordneter Friedrich Pürner (BSW)

Auffällig sei der Digital Services Act (DSA). Dieser „könnte zu einer zentralisierten Überwachung der Inhalte im Internet führen. Dies bedroht die Autonomie der nationalen Regierungen und die Meinungsfreiheit der Bürger.“ Dieses Machtungleichgewicht, bei dem nationale Interessen und Souveränität zugunsten eines einheitlichen EU-Ansatzes oft hintangestellt werden, könnte „langfristig zu einer Überwachungsgesellschaft führen, in der die EU-Kommission mehr Kontrolle über die digitale Kommunikation und den Informationsfluss hat.“ 

Pürner: „Dies halte ich für eine höchst besorgniserregende Entwicklung für die Demokratie und die Bürgerrechte in den Mitgliedstaaten!“

„Dann wären wir bei einer Internet-Stasi angekommen“

Ebenso sieht dies der EU-Politiker Fabio De Masi (BSW). Der EU-Abgeordnete betont, die Arbeitsgruppe spreche auffällig „auch von schädlichen, nicht nur illegalen Aktivitäten. Damit ist staatlicher Gesinnungsschnüffelei Tür und Tor geöffnet.“ Schwerwiegende Eingriffe in die private Kommunikation dürfe es nur bei klaren Hinweisen auf schwerste Straftaten und bei richterlicher Kontrolle geben – „nicht bei wie auch immer definierten schädlichen Aktivitäten“, so De Masi zu NIUS.

EU-Politiker Fabio De Masi
EU-Politiker Fabio De Masi

Scharf betont er weiter: „Bei der Chatkontrolle wurde bereits angestrebt, in die digitale Kommunikation der Bürger anlasslos eindringen zu können. Dann wären wir bei einer Internet-Stasi angekommen – nur viel effektiver als die 80er Jahre Stasi. Das lehnen wir ab. Damit wäre das klassische Briefgeheimnis tot.“