Asyl-Unterkunft für 1.200 Personen in Berlin-Lichtenberg: Wie der Immobilienkonzern „Aroundtown“ durch die Masseneinwanderung Millionen verdient

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WER JETZT NOCH CDU SPD UND DEN GRÜNEN DRECK WÄHLT HAT DEN KNALL NICHT GEHÖRT.

Björn Harms

Der Berliner Senat zahlt 143 Millionen Euro für die Anmietung eines Hotel-Komplexes im Bezirk Lichtenberg, um dort zehn Jahre lang 1.200 Asylbewerber unterzubringen. Übliche Marktpreise sind außer Kraft gesetzt. Das weiß auch der Immobilienkonzern Aroundtown, der hier finanziell absahnt. NIUS recherchierte vor Ort, traf auf verzweifelte Anwohner, bedenkenlose Krisengewinnler und einen Staat, der ungebremst Steuergeld verschleudert.

Anfang November ging es in Berlin-Lichtenberg zum wiederholten Male hoch her. Auf einer hitzigen Bürgerversammlung beschwerten sich wütende Anwohner über eine neue Asyl-Unterkunft, die ihnen der Berliner Senat nun vor die Nase gesetzt hatte. 1.200 Migranten sollen hier bald wohnen. Zufriedenstellende Antworten konnten die anwesenden Lokalpolitiker jedoch kaum geben. Sie mussten selbst eingestehen, kaum zu wissen, wer dort überhaupt einziehen wird.

Es gebe „überhaupt kein Sicherheitskonzept“, beschwerte sich im Anschluss an die Veranstaltung auch ein Anwohner im Gespräch mit NIUS. „Unsere Fragen wurden von den anwesenden Politikern einfach weggebügelt.“ Dabei gebe es schon jetzt Probleme mit Kindern und Jugendlichen eines nur wenige hundert Meter entfernten Asylheimes, die regelmäßig Überfälle begehen würden. Eine ältere Dame pflichtet ihm bei: „Wir reden so viel über Demokratie. Doch die Demokratie lebt hier überhaupt nicht. Es ist denen einfach egal.“ Hilflos stellt sie fest: „Berlin ist voll. Lichtenberg ist voll. Wir können das nicht mehr.“

Die Wut über das fehlende Mitspracherecht ist hier an allen Ecken greifbar. Zwangsläufig macht sich eine Verzweiflung breit, die auch an anderen Orten des Landes nur allzu bekannt ist. In ganz Deutschland werden Einheimische vor vollendete Tatsachen gestellt und von der Politik vertröstet. Über Nacht ändert sich die demografische Zusammensetzung ganzer Straßenzüge. Anwohner fühlen sich nicht mehr sicher – während die Vermieter der Immobilien massiv profitieren.

In der Landsberger Allee zogen im November bereits die ersten Asylbewerber ein.
In der Landsberger Allee zogen im November bereits die ersten Asylbewerber ein.

Der Vermieter erhält 143 Millionen Euro, auch die Renovierung wird ihm bezahlt

In Lichtenberg sollen nun in drei wuchtigen Hochhäusern mit 13 Stockwerken bis zu 1.200 Migranten aus Drittstaaten einquartiert werden. Mitte September hatte die Senatsverwaltung in einer Antwort auf eine Schriftliche Anfrage des BSW-Abgeordneten Alexander King noch versprochen: „Die Nutzung der Unterkunft soll im zweiten Halbjahr 2025 beginnen.“ Doch wie so häufig hatte auch hier das Politikversprechen eine nur kurze Halbwertszeit. Am 11. November zogen die ersten Neuankömmlinge bereits ein. Bis Anfang Dezember sollen etwa 780 Asylbewerber folgen. Nach Abschluss der letzten Umbaumaßnahmen im Juli 2025 geht der Senat davon aus, dass dann die volle Kapazität von 1.200 Plätzen ausgeschöpft wird.

Angemietet hat der Bezirk die drei Plattenbauten für zehn Jahre. Dafür soll der Eigentümer spektakuläre 143 Millionen Euro erhalten. Und nicht nur das: Auch die Renovierung des Hotels übernimmt für ihn der Staat: „Der Umbau und die Herrichtung des Objekts wird im Auftrag der Eigentümer vorgenommen. Die Kosten hierzu sind in der Kalkulation der Miete enthalten“, teilte die Berliner Senatsverwaltung mit. Für das Land Berlin besteht zudem eine Verlängerungsoption um weitere fünf Jahre.

Wem das Gebäude jedoch gehört, und wer von diesen Millionenzahlungen des Steuerzahlers profitiert, war bislang nicht in den Medien zu vernehmen. Auch der Senat schwieg sich lange dazu aus.

NIUS begab sich deshalb auf Spurensuche und warf einen Blick in die Grundbuchakten. Die Papiere zeigen: Die Geschichte rund um das Areal in der Landsberger Allee hat eine größere Dimension als bislang gedacht. Sie beginnt schon kurz nach dem Mauerfall.

Das Grundstück gehörte mal dem Land Berlin

Denn ebenfalls unerwähnt blieb in der Medienberichterstattung, dass die drei Plattenbauten in der Landsberger Allee Ecke Weißenseer Weg nach dem Ende der DDR in das Eigentum des Landes Berlin wanderten. Später schob man die Gebäude an die Arwobau Wohnungsbaugesellschaft ab, deren Anteile mehrheitlich bei der landeseigenen Bankgesellschaft Berlin lagen. Schon damals funktionierte man die sanierungsbedürftigen Wohngebäude für 62 Millionen Mark in einen Hotel-Komplex um. Im Zuge des Berliner Bankenskandals von 2001 geriet die landeseigene Bankgesellschaft jedoch in eine dramatische wirtschaftliche Schieflage. Und so wurden zahlreiche Immobilien abgestoßen – darunter auch das Grundstück in Berlin-Lichtenberg.

Was die Senatsverwaltung nun also für hunderte Millionen Euro anmietet, wurde 2005 zu Zeiten des rot-roten Senats unter Klaus Wowereit (SPD) für einen schmalen Taler an einen privaten Käufer verscherbelt – eine gleich doppelte Steuerverschwendung des Staates. Über die Vertragsdetails zwischen der Wohnungsgesellschaft Arwobau und dem Münchner Projektentwickler Meta, der die Plattenbauten erwarb, wurde damals jedoch Stillschweigen vereinbart.

Schon wenige Monate später, im Mai 2006, verzeichnete das Grundbuchamt schließlich eine „Eigentumsübertragungsvorbemerkung“ für die Barbara Grundstücks GmbH. Eigentümer wurde später die neu gegründete „City East Hotel Berlin Grundstücks GmbH“. Beide Unternehmen sind Tochterunternehmen des Immobilienkonzerns Aroundtown, einem der größten Gewerbeimmobilienunternehmen Deutschlands, das auch in den Niederlanden oder in Großbritannien tätig ist. Das Berliner Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten bestätigt auf NIUS-Anfrage: Der Mietvertrag für das Hotel in der Landsberger Allee wurde mit einem Unternehmen von Aroundtown geschlossen. „Einzelheiten aus dem Vertrag unterliegen dem Geschäftsgeheimnis und können nicht kommuniziert werden.“

Der Konzern ist im Steuerparadies Luxemburg ansässig.
Der Konzern ist im Steuerparadies Luxemburg ansässig.

Aroundtown vermietet auch an andere Bundesländer

Wer aber ist der Krisenprofiteur?

Das Unternehmen wurde 2004 durch den israelischen Geschäftsmann Yakir Gabay gegründet, der noch immer rund 15 Prozent der Aktienanteile besitzt, und war bis September 2017 als Aroundtown Property Holdings PLC im Steuerparadies Zypern ansässig. Mittlerweile hat es seinen formellen Sitz nach Luxemburg verlegt, einem Kleinstaat, in dem ebenfalls nicht mit horrenden Steuern zu rechnen ist. Seinen operativen Hauptsitz hat der Konzern in Berlin-Tegel in der Wittestraße 30. Dort ansässig ist ebenfalls das Tochterunternehmen „City East Hotel Berlin Grundstücks GmbH“, dem das Grundstück in der Landsberger Allee gehört. Geschäftsführer der GmbH ist Aylon Anschel, der laut seiner LinkedIn-Seite als „Financial Officer“ bei Aroundtown angestellt ist.

Es ist eine fortlaufende Prozedur: Immer dann, wenn Aroundtown ein weiteres Grundstück übernimmt, gründet sich auch eine neue GmbH. Die Aroundtown-Gruppe besitzt deshalb hunderte Tochterunternehmen in Deutschland, Großbritannien, Luxemburg, Zypern oder den Niederlanden. Anschel ist Geschäftsführer zahlreicher weiterer GmbHs. Viele sind im Gewerbebereich angesiedelt, andere jedoch auch in der Hotelbranche. Da gibt es etwa die „Frankfurt Danube Hotels GmbH“, die „Hotel Duisburger Hof GmbH“, die „Hotel Wismar Grundstücks GmbH“, oder auch die „Hotels Dortmund Düsseldorf Bonn Grundstücks GmbH“.

Und hier wird es interessant: Denn auch in anderen Bundesländern ist Aroundtown entsprechend aktiv und stellt seine Hotels als Asyl-Unterkünfte zur Verfügung. Das „Best Western Hotel Dortmund Airport“ wird derzeit ebenfalls in ein Flüchtlingsheim umfunktioniert. Ab Januar sollen dort die ersten 350 Asylbewerber einziehen. Die verantwortliche Bezirksregierung Arnsberg schreibt dazu auf NIUS-Anfrage: „Die betreffende Immobilie steht im Eigentum eines Unternehmens der Unternehmensgruppe Aroundtown und ist vertraglich dem Land NRW vermietet. Der Mietvertrag ist unterzeichnet und hat eine Grundlaufzeit von fünf Jahren mit Beginn zum 1. Januar 2025. Eine Verlängerung ist möglich.“ Zum Inhalt des Mietvertrags will man jedoch keine Angaben machen.

Hotel für 20 Millionen Euro abgekauft

Bei Aroundtown will man von dem Vertrag jedoch nichts wissen. Zunächst streitet ein Sprecher ab, dass sein Unternehmen einen solchen Mietvertrag mit dem Land NRW unterschrieben habe. Nach Hinweisen auf gegenteilige Äußerungen durch die Bezirksregierung Arnsberg, heißt es dann: „Die Aroundtown Gruppe ist lediglich Eigentümer der Immobilie und nicht der Hotelbetreiber.“ Das Land NRW bleibt bei seiner Darstellung. Man habe einen Vertrag mit einem Tochterunternehmen von Aroundtown abgeschlossen.

Auch das Best Western Hotel in Dortmund soll zur Asylunterkunft werden.
Auch das Best Western Hotel in Dortmund soll zur Asylunterkunft werden.

Auch die Stadt Sindelfingen unterschrieb 2023 einen Vertrag mit Aroundtown, allerdings keinen Mietvertrag. Die Gemeinde kaufte dem in Luxemburg ansässigen Unternehmen gleich ein ganzes „Best Western“-Hotel ab. Der offizielle Kaufpreis wurde zwar nicht genannt, doch im Haushalt plante die Gemeinde rund 20 Millionen Euro dafür ein. Im Februar 2024 zogen hier die ersten Asylbewerber ein.

Aroundtown hatte das Hotel erst 2019 erworben. Gerade in den Jahren vor Corona – 2015 ging das Unternehmen auch an die Börse – kaufte der heutige MDAX-Konzern aggressiv ein. Die Europäische Zentralbank hatte den Leitzins auf 0 Prozent gesenkt. Kredite wurden einem praktisch hinterhergeschmissen. „Ohne viel Aufsehen hat Aroundtown Property Holdings in den vergangenen eineinhalb Jahren Gewerbeimmobilien für über zwei Milliarden Euro eingesammelt“, erklärte dieImmobilien-Zeitungschon 2016. „Ihre Strategie ist es, schwierige Objekte, von denen viele andere die Finger lassen, günstig einzukaufen. Bröckelnder Beton, eingeworfene Scheiben, leerstehende Ladenzeilen – ein super Investment, zumindest, wenn man Aroundtown Property Holdings heißt.“ Ob Berlin, Dortmund oder Sindelfingen – die Hotels, die nun zu Asylunterkünften umfunktioniert werden, haben ihre besten Jahre schon lange hinter sich.

Ab 2020 läuft es schlechter für Aroundtown

Lange Jahre fuhr das Unternehmen gute Profite ein, doch ab 2020 gerieten die Geschäfte ins Stocken. Corona beherrschte die Schlagzeilen. Die Hotels waren nicht ausgebucht, Mieteinnahmen gingen zurück, der operative Gewinn brach ein. Während die Baukosten und Zinsen in die Höhe schossen, sanken die Grundstückswerte. Dazu kamen die sich ausweitenden staatlichen Eingriffe auf den Immobilienmarkt. Das Jahr 2022 schloss Aroundtown mit einem Nettoverlust von 457,1 Millionen Euro ab. Ein Jahr später verzeichnete der Konzern einen Nettoverlust von 2,43 Milliarden Euro. Von Januar bis Juni 2024 listet der Geschäftsbericht ein Minus von 170,9 Millionen Euro. Seit Februar 2020 stürzte auch die Aktie von Aroundtown dramatisch ab – von rund 8,70 Euro auf zwischenzeitlich 90 Cent (Mai 2023). Mittlerweile hat sie sich bei 2,70 Euro halbwegs stabilisiert.

Doch in diesen schwierigen Zeiten orientierte sich Aroundtown offenbar an einem neuen Geschäftsmodell. Während die Branche Überlebenskämpfe führte, profitierte man durch die Masseneinwanderung nach Deutschland. „Die Eigentümer des City Hotel Berlin East übermittelten dem Land Berlin ein Angebot, das Objekt als Unterkunft für Geflüchtete zu vermieten“, erklärt die Senatsverwaltung. Das Land Berlin suchte also verzweifelt nach Unterkünften, um Asylbewerber in der Stadt zu verteilen. Und der Immobilienkonzern griff zu.

Aroundtown widerspricht dem Vorwurf Geschäftsmodell

Um marktübliche Preise geht es bei den Hoteltürmen in der Landsberger Allee dabei längst nicht mehr. Berlin zahlt alles – Hauptsache die Migranten haben ein Dach über dem Kopf. Wenige Monate vor der endgültigen Unterschrift unter dem Mietvertrag bewertete auch eine Investmentgesellschaft das Grundstück in der Landsberger Allee. In den Jahren zuvor waren die Grundstückspreise in Berlin in den Keller gerauscht.

NIUS konnte einen Blick auf das Dokument werfen. Der geschätzte Wert: 23 Millionen Euro. Aroundtown erhält 143 Millionen Euro für den zehnjährigen Mietvertrag – also das mehr als fünffache dieser Summe.

Ein Sprecher der Aroundtown-Gruppe will gegenüber NIUS von einem Geschäftsmodell jedoch nichts wissen: „Die Aroundtown Gruppe hält hunderte von Objekten im Eigentum. Die Vermietung als Flüchtlingsheim an Bundesländer oder Kommunen stellt eine äußerst seltene Ausnahme dar, in einem für die Geschäftstätigkeit der Aroundtown Gruppe unwesentlichen Umfang von deutlich weniger als ein Prozent der Gesamterträge.“

Berliner Senat lädt zu queerer Veranstaltung

Der Berliner Senat scheint derweil die Wogen seiner wütenden Anwohner mit ganz anderen Methoden glätten zu wollen. Er lädt die Lichtenberger demnächst zu zwei ganz besonderen Veranstaltungen ein: „Queerness im Kontext von Flucht und Migration in Berlin-Lichtenberg“, heißt es am 26. November und am 5. Dezember nur wenige Straßen vom gigantischen Asylheim entfernt.

Noch nicht von der fortwährenden Migration überzeugte Anwohner können hier ihre Einfühlsamkeit trainieren. Geklärt wird unter anderem die Frage, welche „Herausforderungen queere Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung in Lichtenberg erleben“. Oder aber sie erfahren, „welche Rolle Kunst und Kultur dabei spielen können, unterstützende Strukturen für diese Communities zu schaffen“. Die Finanzierung übernimmt der Steuerzahler. Der verantwortliche CDU-Bezirksbürgermeister Martin Schäfer ist hellauf begeistert: „Ich freue mich, dass uns der Senat Mittel zur Stärkung von intersektional arbeitenden queeren Projekten zur Verfügung gestellt hat.“

Die verzweifelten Anwohner in Berlin-Lichtenberg werden sich sicherlich ebenfalls freuen.

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