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Aus den Äußerungen von US-Spitzenpolitikern seit mehr als einem Jahrhundert ergibt sich ein Gesamtbild des imperialen Herrschaftsanspruchs der USA. Dass die Bundesregierung dieser deutschen Interessen diametral entgegenstehenden Politik folgt, ist eine Schande und nicht nur durch mangelnde Souveränität zu erklären.
von Wolfgang Bittner
Nach Auffassung ihrer Machteliten sind die Vereinigten Staaten von Amerika “the land of the free and the home of the brave”, wie es auch die Nationalhymne verkündet. Und “God’s Own Country” ist dazu berufen, die Welt zu beherrschen. Zur Durchsetzung dieses unipolaren Anspruchs haben sie seit dem 19. Jahrhundert eine Langzeitstrategie entwickelt, wozu die Aufrechterhaltung einer übermäßig hochgerüsteten Armee und die Einrichtung von etwa 1.000 Militärstützpunkten in aller Welt gehören.
Dabei ist nicht zu übersehen, dass die US-amerikanische Gesellschaft in weiten Teilen und bis in den Kongress hinein religiös-fundamentalistisch fanatisiert ist. Bis in die Gegenwart ist hier die Wahlverwandtschaft zwischen Puritanismus und Kapitalismus, eine “ökonomische Prädestinationslehre” – wen Gott liebt, den lässt er reich werden – tief verwurzelt. Darüber hinaus sind viele der Hardliner offensichtlich der Ansicht, dass alles, was den USA nützt, letztlich der ganzen Welt zugutekommt, woraus sich ihr Anspruch auf globale Vorherrschaft ergibt.
Kontinuität seit mehr als 200 Jahren
Dieser durch nichts gerechtfertigten Hybris folgte auch die Politik des mit einem gewinnenden Lächeln daherkommenden Präsidenten Barack Obama, der sieben Kriege geführt hat und in einer Rede vor der Militärakademie in Westpoint die USA als die “einzige unverzichtbare Nation” bezeichnete, als Dreh- und Angelpunkt aller Allianzen von Europa bis Asien, “unübertroffen in der Geschichte der Nationen”. Damit bekundete Obama, was schon lange praktizierte Politik der Vereinigten Staaten war, die seit dem 20. Jahrhundert ihren imperialen Anspruch auch gegenüber Europa, insbesondere Deutschland, durchzusetzen verstanden.
Diese Machtpolitik hatte ihren Anfang spätestens 1823, als der Präsident James Monroe dem US-Kongress die Grundzüge einer langfristigen Außenpolitik der Vereinigten Staaten vorstellte: keine Duldung der Einmischung anderer Länder auf dem amerikanischen Doppelkontinent, zugleich Schutz- und Interventionsanspruch der USA in Lateinamerika. Damit legten die USA die Hand auf Mittel- und Südamerika.
1904 ermächtigte dann Theodore Roosevelt (1858–1919, Präsident 1901–1909) die USA pauschal zur Ausübung einer “internationalen Polizeigewalt” und zur kompromisslosen Durchsetzung wirtschaftlicher und strategischer Interessen. Sein Wahlspruch war: “Sprich sanft und trage einen großen Knüppel, dann wirst du weit kommen.” Nachdem zuvor sämtliche Verträge mit den indianischen Ureinwohnern gebrochen worden waren und die letzte vernichtende Schlacht 1890 am Wounded Knee geschlagen war, galt das in erster Linie den lateinamerikanischen Ländern im “Hinterhof der USA”, aber auch Marokko und Korea, wenig später weltweit. Ganz dem entsprach eine Aussage des nachfolgenden Präsidenten Woodrow Wilson:
“Da der Handel sich über die nationalen Grenzen hinwegsetzt und der Unternehmer die Welt als seinen Markt beansprucht, muss die Flagge seiner Nation ihm folgen und die verschlossenen Türen der Nationen müssen aufgesprengt werden. … Die von den Finanziers erworbenen Konzessionen müssen von den Staatsministern garantiert werden, selbst wenn die Souveränität widerspenstiger Nationen dabei verletzt würde.”
Barack Obama formulierte das am 11. Februar 2016 in einem Interview gegenüber dem US-Fernsehsender Vox so:
“Wir müssen gelegentlich den Arm von Ländern umdrehen, die nicht das tun, was wir von ihnen wollen. Wenn es nicht die verschiedenen wirtschaftlichen oder diplomatischen oder, in einigen Fällen, militärischen Druckmittel gäbe, die wir haben, wenn wir diese Dosis Realismus nicht hätten, würden wir auch nichts erledigt bekommen. … Die amerikanische Führung kommt teilweise aus unserer Anpackmentalität. Wir sind das größte, mächtigste Land der Erde, … wir haben niemanden Ebenbürtiges im Sinne von Staaten, die die Vereinigten Staaten angreifen oder provozieren könnten.”
Der Einfluss der Weltmacht Nr. 1
Das Ziel, Weltmacht Nr. 1 zu sein, erreichten die USA endgültig nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Präsident Harry S. Truman am 12.März 1947 vor beiden Häusern des Kongresses verkündete:
“Ich glaube, es muss die Politik der Vereinigten Staaten sein, freien Völkern beizustehen, die sich der angestrebten Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck widersetzen. Ich glaube, wir müssen allen freien Völkern helfen, damit sie ihre Geschicke auf ihre Weise selbst bestimmen können. … Wenn sie freien und unabhängigen Nationen helfen, ihre Freiheit zu bewahren, verwirklichen die Vereinigten Staaten die Prinzipien der Vereinten Nationen. Die freien Völker der Welt rechnen auf unsere Unterstützung in ihrem Kampf um die Freiheit. Wenn wir in unserer Führungsrolle zaudern, gefährden wir den Frieden der Welt – und wir schaden mit Sicherheit der Wohlfahrt unserer eigenen Nation.”
Diese “Unterstützung” freier Völker durch die USA sollte nach Trumans altruistischen Worten zwar “vor allem wirtschaftliche und finanzielle Hilfe” umfassen, “die die Grundlage für wirtschaftliche Stabilität und geordnete politische Verhältnisse bildet”, doch die Realpolitik ging den üblichen Weg im Sinne und zum Vorteil der USA sowie zumeist zulasten und zum Nachteil der “freien Völker”, wie ein Blick in die Geschichte bis zur unmittelbaren Gegenwart beweist. er Publizist Werner Rügemer hat die Einflussmöglichkeiten und Einflussnahmen der USA auf die europäische, insbesondere die deutsche Wirtschaft, analysiert und kommt zu bestürzenden Ergebnissen:
“Das wichtigste unternehmerische Kapitaleigentum im westlichen Kapitalismus wird heute von verschiedenen Typen von Finanzakteuren organisiert. Die vom eingesetzten Kapital her größten sind BlackRock & Co. Dann folgen Blackstone & Co, also die Private-Equity-Investoren, volkstümlich “Heuschrecken” genannt. Sie haben seit Ende der 1990er Jahre etwa 10.000 mittelständische Unternehmen in Deutschland aufgekauft, verwertet, weiterverkauft oder an die Börse gebracht. Dann kommen die Hedgefonds, die Wagniskapital-Investoren – sie bringen die Start-ups ins Rennen –, die elitären Investmentbanken wie Macquarie und Rothschild, die Privatbanken wie Metzler, Pictet, die traditionellen Banken wie die Deutsche Bank. Die USA sind der größte Kapital-Standort und der wichtigste militärische, geheimdienstliche und mediale Machtblock zur Sicherung dieses Systems. Auch die wichtigsten globalen Finanzdienstleister sind mit den USA verbunden: die großen drei Ratingagenturen, die Wirtschaftskanzleien wie Freshfields, die Unternehmensberater wie McKinsey, die Wirtschaftsprüfer wie PricewaterhouseCoopers, die PR-Agenturen wie Soros’ Renaissance – ich nenne sie die zivile Privatarmee des westlichen Kapitalismus.”
Verhinderung einer Kooperation Deutschlands mit Russland
Im ökonomischen und auch militärstrategischen Konzept der USA hat Russland keinen Platz. Der ehemalige Direktordes einflussreichen Thinktanks Stratfor, George Friedman, hat zu dieser egozentrischen, friedensgefährdenden Politik in seiner Rede am 4. Februar 2015 am Chicago Council on Global Affairs eine bemerkenswerte Aussage gemacht:
“Das Hauptinteresse der US-Außenpolitik während des letzten Jahrhunderts, im Ersten und Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg, waren die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland. Weil sie vereint die einzige Macht sind, die unsere Vormachtstellung bedrohen kann. Unser Hauptziel war sicherzustellen, dass dieser Fall nicht eintritt.”
Warum diese Politik bis zur Gegenwart fortgesetzt wird, begründet Friedman wie folgt:
“Für die Vereinigten Staaten ist die Hauptsorge, dass … deutsches Kapital und deutsche Technologie sich mit russischen Rohstoff-Ressourcen und russischer Arbeitskraft zu einer einzigartigen Kombination verbinden, was die USA seit einem Jahrhundert zu verhindern suchen. Also wie kann man das erreichen, dass diese deutsch-russische Kombination verhindert wird? Die USA sind bereit, mit ihrer Karte diese Kombination zu schlagen: Das ist die Linie zwischen dem Baltikum und dem Schwarzen Meer. … Der Punkt bei der ganzen Sache ist, dass die USA einen ‘Cordon Sanitaire’, einen Sicherheitsgürtel, um Russland herum aufbauen.”
Daran wurde im Grunde seit dem deutsch-französischen Krieg von 1871 konsequent im Geheimen gearbeitet. Weiter stellt Friedman fest:
“Die Vereinigten Staaten kontrollieren aus ihrem fundamentalen Interesse alle Ozeane der Welt. Keine andere Macht hat das jemals getan. Aus diesem Grund intervenieren wir weltweit bei den Völkern, aber sie können uns nicht angreifen.”
Viele Völker können sich auch nicht wehren, wie sich gerade in jüngster Zeit gezeigt hat. Wer opponiert, wird ruiniert oder gebombt. Aufsehen erregte Friedmans “Bekenntnis” lediglich in den sogenannten alternativen Medien. Das gleiche gilt für die Ausführungen Zbigniew Brzezińskis, der Eurasien als das “Schachbrett der USA” ansah, auf dem sie ihre Züge im Kampf um die globale Vorherrschaft machten. Brzeziński schrieb In seinem Buch “Die einzige Weltmacht”, in dem er die geopolitische Strategie der USA nach dem Untergang der Sowjetunion entwickelt hat:
“Inwieweit die USA ihre globale Vormachtstellung geltend machen können, hängt aber davon ab, wie ein weltweit engagiertes Amerika mit den komplexen Machtverhältnissen auf dem eurasischen Kontinent fertig wird – und ob es dort das Aufkommen einer dominierenden, gegnerischen Macht verhindern kann.”
In diesem Kontext ist auch die Äußerung Henry Kissingers vom 2. Februar 2014 zu sehen, wonach der Regime Change in Kiew sozusagen die Generalprobe für das sei, “was wir in Moskau tun möchten”.
Joseph Biden: “Ich regiere die Welt”
Wie es um das Selbstverständnis der US-amerikanischen Regierung bestellt ist, demonstrierte der Präsident Joseph Biden am 6. Juli 2024 in einem Interview mit dem US-Sender ABC, als er nach einem desaströsen Wahlkampfduell mit Donald Trump nach seiner körperlichen und mentalen Verfassung gefragt wurde. Vor laufender Kamera erklärte er:
“Ich absolviere jeden Tag einen kognitiven Test. Wissen Sie, ich mache nicht nur Wahlkampf, ich regiere die Welt. Das klingt wie eine Übertreibung, aber wir sind die wichtigste Nation der Welt.”
Diese Aussage wurde von den westlichen Politikern und Journalisten nahezu kommentarlos hingenommen, was wiederum Rückschlüsse auf die Verkommenheit dieser Akteure zulässt. Bereits in einer Rede an der Harvard Kennedy School in Cambridge/Massachusetts am 2. Oktober 2014 renommierte Biden, seinerzeit noch US-Vizepräsident:
“Wir haben Putin vor die einfache Wahl gestellt: Respektieren Sie die Souveränität der Ukraine, oder Sie werden sich zunehmenden Konsequenzen gegenübersehen. Dadurch waren wir in der Lage, die größten entwickelten Staaten der Welt dazu zu bringen, Russland echte Kosten aufzuerlegen. Es ist wahr, dass sie das nicht tun wollten. Aber wiederum war es die Führungsrolle Amerikas und die Tatsache, dass der Präsident der Vereinigten Staaten darauf bestanden hat, ja, Europa des Öfteren in Verlegenheit bringen musste, um es dazu zu zwingen, sich aufzuraffen und wirtschaftliche Nachteile einzustecken, um Kosten verursachen zu können. Und die Folgen waren eine massive Kapitalflucht aus Russland, ein regelrechtes Einfrieren von ausländischen Direktinvestitionen, der Rubel auf einem historischen Tiefststand gegenüber dem Dollar und die russische Wirtschaft an der Kippe zu einer Rezession.”
Dass die Berliner Regierung dieser Politik, die deutschen Interessen diametral entgegensteht, bis zur Gegenwart gefolgt ist, wie aus Stellungnahmen von Olaf Scholz, Robert Habeck oder Annalena Baerbock hervorgeht, ist eine Schande und lässt sich nicht allein durch die mangelnde Souveränität Deutschlands erklären. Aus den über mehr als ein Jahrhundert wiederholten Äußerungen der US-Spitzenpolitiker ergibt sich ein Gesamtbild der monopolaren Imperialpolitik der USA, die der frühere Stabschef des US-Außenministers Colin Powell, Lawrence Wilkerson, mit den Worten charakterisierte: “Zum Teufel mit dem Rest der Welt.”