Proteste der Wirtschaftsverbände: Robert Habecks geballte Inkompetenz

https://www.nzz.ch/der-andere-blick/proteste-gegen-die-wirtschaftspolitik-robert-habecks-geballte-inkompetenz-ld.1868418

Der deutsche Wirtschaftsminister muss die Wachstumsprognose erneut senken. Kein Wunder also, dass jetzt Unternehmen in zahlreichen Städten gegen seine Wirtschaftspolitik auf die Strassen gehen.
Sie lesen einen Auszug aus dem Newsletter «Der andere Blick am Morgen», heute von Johannes C. Bockenheimer, Redaktor NZZ Deutschland. Abonnieren Sie den Newsletter kostenlos. Nicht in Deutschland wohnhaft? Hier profitieren.

Inkompetenz, gepaart mit Überheblichkeit, kann eine abendfüllende, überaus komische Mixtur sein. Das wissen deutsche Fernsehzuschauer seit der Erstausstrahlung der TV-Serie über Bernd Stromberg, den Versicherungsmanager mit ausgeprägter Profilneurose. Doch das Phänomen existiert nicht nur in der Fiktion.

Ein Redaktor der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» prägte dafür einmal den Begriff von den «Insuffizienz-Terroristen». Gemeint sind Führungskräfte, die ihre Defizite nicht erkennen und ihr Umfeld zwingen, sich ihren Schwächen anzupassen. Was in Unternehmen für Frust sorgt und zum wirtschaftlichen Niedergang führt, wird im Regierungsapparat zur nationalen Bedrohung. Eine inkompetente Ministeriumsspitze kann einen ganzen Staat ins Chaos stürzen.

Die mittlerweile zerbrochene deutsche Bundesregierung etwa hatte den Bürgern einst ein «grünes Wirtschaftswunder» in Aussicht gestellt: nicht nur einen Aufschwung also, sondern auch einen Komplettumbau der Industrienation zum CO2-neutralen Standort binnen weniger Jahre. Einwände, dass ein solches Vorhaben auf ministerialen Konzeptpapieren zwar hübsch anzusehen, in der Realität aber kompliziert umzusetzen sind, liess vor allem einer nicht gelten: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.

Sorgen der Wirtschaft werden ignoriert

Das liegt auch daran, dass der Grünen-Politiker sich vor allem mit Menschen umgab, die ihre beruflichen Erfahrungen grösstenteils in grünen Denkfabriken und Amtsstuben gesammelt haben – mit der realen Wirtschaft hatte hingegen kaum einer von ihnen je Kontakt. Das muss nicht zwangsläufig falsch sein, schliesslich folgen Verwaltung und Wirtschaft unterschiedlichen Logiken. Fatal wurde erst die demonstrative Ignoranz seines Apparats gegenüber den Sorgen und berechtigten Einwänden der Unternehmer.

Die Wirtschaft versuchte es anfangs noch mit Diplomatie. Unvergessen die Szene, als Siegfried Russwurm, damaliger Chef des Industrieverbandes BDI, auf einem Grünen-Parteitag einen Blumentopf entgegennahm. Wer öffentlich lächelt, hoffte er wohl, wird später vielleicht erhört. Vergeblich. Habeck hörte nicht zu.

Warum auch? Sein Ziel war keine Evolution des Bewährten, sondern der grosse Wurf, die Revolution. In seinem ersten Jahreswirtschaftsbericht 2022 verabschiedete er sich gleich noch von allen ökonomischen Grundsätzen. Wohlstand, dekretierte er, sei mehr als das von Ökonomen vergötterte Bruttoinlandprodukt.

Verbände demonstrieren gegen Habeck

Was folgte, war nur konsequent: Mitten in der grössten Energiekrise beharrte der grüne Minister auf dem Atomausstieg, präsentierte ein kostspieliges Heizungsgesetz und verteilte Steuergelder an selbsternannte «Zukunftsindustrien». Warnungen etablierter Wirtschaftsexperten? Diskreditierte er als Störfeuer ewiggestriger Lobbyisten. Habeck folgte seinem Traum, seiner Vision, die keine fremde Expertise verwässern sollte.

Am heutigen Mittwoch präsentiert er nun den letzten Jahreswirtschaftsbericht seiner Amtszeit. Der Inhalt ist absehbar: Habeck sieht sich nach wie vor auf dem richtigen Weg. Grösstenteils unerwähnt bleiben wird die längste Wirtschaftsflaute seit zwei Jahrzehnten, die hohen Energiepreise, die Pleitewelle und der Exodus deutscher Unternehmen ins Ausland.

Selbst für das Jahr 2026 rechnet Habeck nun nur noch – so viel ist aus dem Bericht bereits durchgesickert

https://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/konjunktur-bundesregierung-korrigiert-auch-wachstumsprognose-fuer-2026/100103081.html

– mit einem Wachstum der Wirtschaftsleistung von 1,1 Prozent. Noch im Herbst hatte sein Ministerium ein Wachstum von 1,6 Prozent prognostiziert. Tatsächlich gibt es also gute Gründe für den Minister, das Bruttoinlandsprodukt als Wohlstands-Kategorie vernachlässigen zu wollen.

An Habecks Hybris ändert auch nichts, dass zeitgleich mit der Veröffentlichung seines Berichts an diesem Mittwoch erstmals in der Geschichte alle Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft in Berlin, in München, Hamburg und anderen Städten auf die Strasse gehen – um gegen seine Politik zu demonstrieren. In Habecks Ministerium gilt bis heute: Nicht die Politik ist gescheitert, die Unternehmer haben nur die ministerielle Weitsicht nicht begriffen.

Hinweis = Interessant auch die Kommentare siehe Link

https://www.nzz.ch/meinung/robert-habeck-antwortet-nicht-die-gruenen-zerlegen-sich-im-wahlkampf-selbst-ld.1867096

https://www.nzz.ch/international/nichts-daran-ist-harmlos-beim-parteitag-der-gruenen-warnt-robert-habeck-friedrich-merz-vor-einer-annaeherung-an-die-afd-ld.1868013

https://www.nzz.ch/international/ausstieg-aus-der-atomkraft-trotz-energiekrise-olaf-scholz-verteidigt-seine-entscheidung-ld.1866687