Teil­nehmer greifen Cor­rectiv-Bericht jetzt doch im Kern an

https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/masterplan-zur-ausweisung-deutscher-staatsbuerger

Zwei Teilnehmer des Treffens von Rechtsextremen in Potsdam greifen den Correctiv-Bericht nun doch in zentralen Punkten an. In welchen? Warum erst jetzt? Und wie stehen die Erfolgschancen? 

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Viele Menschen und Medien entnahmen dem Correctiv-Bericht „Geheimplan gegen Deutschland“ vom 10. Januar 2024, es sei bei einem Treffen von Rechtsextremen im November 2023 auch um die Ausweisung und Ausbürgerung deutscher Staatsbürger gegangen. Doch ein solcher Plan wurde tatsächlich nie besprochen. Ob Correctiv für dieses Fehlverständnis presserechtlich verantwortlich ist, wird jetzt gerichtlich geklärt.

So haben nach LTO-Informationen sowohl der Initiator des Potsdamer Treffens Gernot Mörig als auch der Teilnehmer und Staatsrechtler Ulrich Vosgerau, Klage gegen das Recherchemedium sowie beteiligte Redakteure beim Landgericht Hamburg eingereicht. Die Klagen liegen LTO vor.

Diese Punkte greifen die Teilnehmer an

Die Kläger greifen dort zum einen die Aussage im Fazit des Artikels an, wonach das Treffen einen „‚Masterplan‘ zur Ausweisung deutscher Staatsbürger“ zum Gegenstand gehabt habe. Es handele sich um eine falsche Tatsachenbehauptung, da „unstreitig“ in Potsdam nicht einmal über die Ausweisung deutscher Staatsbürger diskutiert wurde, geschweige denn ein dahingehender Plan vorgestellt oder vereinbart worden sei. „Unstreitig“ sei dies, weil Correctiv selbst in einem Gerichtsverfahren ausführte, dass der Rechtsextremist Martin Sellner, der den Masterplan bei dem Treffen vorstellte, die deutsche Staatsbürgerschaft in seinem Vortrag ausdrücklich als Sperre für eine Ausweisung anerkannte. 

Weiter wenden sich Teilnehmer gegen den Passus, es handele sich „also“ um einen Plan, „um die Artikel 3, Artikel 16 und Artikel 21 des Grundgesetzes zu unterlaufen“. Da es keinen Plan zur Ausweisung deutscher Staatsbürger in Potsdam gegeben habe, gebe es auch keine Anknüpfungstatsachen für die Meinung, dieser widerspreche dem Grundgesetz.

Außerdem greifen die Teilnehmer in ihrer Klage die Correctiv-Äußerung „Ausbürgerungsidee von Staatsbürgern in Sellners Vortrag“ an. Laut den Klageschriften hat der Rechtsextremist Martin Sellner in seinem Vortrag keinerlei Ausbürgerungsidee präsentiert oder gefordert.

Der Initiator des Treffens Mörig greift außerdem die Äußerung an, er habe von einem Expertengremium gesprochen, dass die Vertreibung der Menschen mit Migrationshintergrund darunter „auch deutscher Staatsbürger“ ausarbeiten solle. Die Aussage sei falsch. Mörig habe nur von einem Expertengremium gesprochen, dass die konsequente Rückführung illegal anwesender Ausländer klären soll, von deutschen Staatsbürgern sei nicht die Rede gewesen. 

Woher kommt der Sinneswandel?

Das Vorgehen der Teilnehmer ein Jahr nach der Veröffentlichung überrascht. Schließlich hatte ihr Anwalt Carsten Brennecke (Höcker Rechtsanwälte) der WELT im Februar mitgeteilt, Correctiv habe es geschickt vermieden, angreifbare Tatsachenbehauptungen zu formulieren. Insofern herrschte seltene Einigkeit mit Correctiv, das zentrale Aussagen gegenüber LTO ebenfalls nicht als Tatsachenbehauptung, sondern bloße Wertung verteidigte

Zum juristischen Hintergrund: nur Tatsachenbehauptungen – also Aussagen, die dem Beweis zugänglich sind – können als „unwahr“ verboten werden. Meinungsäußerungen hingegen können unter Wahrheitsgesichtspunkten nur dann verboten werden, wenn konkrete Anknüpfungstatsachen für diese fehlen. Etwa, wenn man jemanden als Faschist bezeichnet wird, obwohl sich diese Person niemals in Richtung Faschismus geäußert hat. 

Nun – ein Jahr nach dem Bericht – hält Anwalt Brennecke die Aussagen für angreifbare unwahre Tatsachenbehauptungen oder zwingend falsche Eindruckserweckungen. In der Klage begründet er den Sinneswandel mit den Erfahrungen aus den Monaten nach der Veröffentlichung des Correctiv-Berichts. Zahlreiche Falschberichte von anderen Medien belegten, dass Correctiv die Grenze der gerade noch zulässigen Meinungsäußerung überschreite und falsche Tatsachenbehauptungen bzw. falsche Eindrücke erwecke. Hierzu führt Brennecke vielfache Beispiele an: 

Im ZDF-heute-journal sprach die Moderatorin davon, dass laut Correctiv-Bericht, „die Deportation von Millionen Menschen, auch solcher mit deutscher Staatsbürgerschaft“, geplant sei. Das ZDF verlor den Prozess wegen falscher Tatsachenbehauptung. In einem Online-Bericht der ARD-tagesschau hieß es, dass in Potsdam über die Ausweisung deutscher Staatsbürger diskutiert worden sei. Der verantwortliche Sender NDR verlor den Prozess gegen Vosgerau

Auch der SWR, die Kampagnen-Organisation Campact sowie die Grüne Bürgerschaftsfraktion in Hamburg verloren wegen ähnlicher Aussagen vor Gericht. Zudem wurden vorgerichtlich laut Klage etwa die Nachrichtenagentur dts, T-online und der Staatsrechtler Prof. Dr. Mathias Hong in Anspruch genommen. Sie sprachen ebenfalls davon, dass in Potsdam Deportationen oder Ausweisungen deutscher Staatsbürger geplant oder besprochen worden seien. Aufgrund all dieser Falschdarstellungen sei nun „empirisch nachgewiesen“, dass der Correctiv-Text ein unwahres Leserverständnis vermittele, heißt es in der Klageschrift.

Zum zweiten begründet Anwalt Brennecke den Sinneswandel mit Reaktionen von Medien und Privatpersonen auf die juristische Inanspruchnahme. Diese würden zur Verteidigung jeweils auf „Rechercheergebnisse“ von Correctiv verweisen oder darauf, dass Correctiv-Berichterstattung „sinngemäß“ wiedergegeben wurde, auf die Correctiv-Berichterstattung „vertraut“ wurde, da diese den „Eindruck von Tatsachenbehauptungen“ vermittelt habe oder das Correctiv doch ausdrücklich von „Ausweisung deutscher Staatsbürger“ am Ende des Artikels schreibe.

Was versteht der verständige Leser und wer ist das überhaupt? 

In der Tat stellt sich die Frage, warum Anwalt Brennecke für die Teilnehmer überhaupt maßgeblich mit der Drittberichterstattung argumentiert, wenn es doch im Fazit des Artikels eindeutig heißt, dass es um einen „‚Masterplan‘ zur Ausweisung deutscher Staatsbürger“ gegangen sei – gleichzeitig aber Correctiv vor Gericht ausführte, dass Sellner eine solche Idee nicht vorstellte. 

Der Grund für Brenneckes Hinweise auf Dritte liegt darin begründet, dass es presserechtlich stets auf den verständigen Durchschnittsleser ankommt. Die Falschberichterstattung anderer Journalisten, die ja auch „verständige Leser“ des Artikels sind, dient ihm als Beleg dafür, dass Correctiv selbst falsch berichtet hat.

Doch die Argumentation hat ein Problem: Was die fiktive Figur des Durchschnittslesers angeht, nimmt die Rechtsprechung einen Leser an, der den Kontext des Beitrags im Blick hat und nicht nur isoliert einzelne Aussagen. Betrachtet man den Fazit-Satz zur Ausweisung deutscher Staatsbürger isoliert, liegt darin recht unzweifelhaft eine falsche Tatsachenbehauptung oder jedenfalls Meinung ohne tatsächliche Anknüpfungstatsachen. Denn der verständige Leser entnimmt dem Satz jedenfalls den Inhalt, dass es auf dem Treffen um irgendeinen Plan ging, der die Ausweisung deutscher Staatsbürger zum Gegenstand hat; sprich eine von Behörden angeordnete Verpflichtung, Deutschland zu verlassen. 

Das hat es zwar unstreitig nicht gegeben. Doch wer den 27-Seiten langen Artikel besonders aufmerksam liest, wird feststellen, dass das Resümee am Ende gar nicht zum Faktenteil des Artikels passt. Eine Teilnehmerin wird mit den Worten zitiert, die Verdrängung von Menschen mit deutschem Pass sei „ein Ding der Unmöglichkeit“. Es findet sich im Faktenteil auch keine Aussage dazu, dass Rechtsextremist Sellner eine Ausweisung von Deutschen vorschlage. 

Gerichte haben großen Entscheidungsspielraum

Das Problem besteht darin, dass es „den“ Durchschnittsleser nicht gibt, Richter ihn aber gleichwohl regelmäßig ermitteln müssen. Denn nur wenn ein Aussageinhalt festgestellt wird, kann hiernach auch darüber entschieden werden, ob dieser wahr oder unwahr ist. Dabei holen Gerichte kein Sachverständigengutachten oder gar eine repräsentative Umfrage ein. Vielmehr sehen sich die Richter selbst in der Lage, den Aussageinhalt zu ermitteln. Schließlich sind sie selbst Leser des Artikels. Doch aufgrund der breiten Rezeption des Correctiv-Beitrags wird sich das LG Hamburg nicht nur – wie sonst üblich – mit dem eigenen Textverständnis beschäftigen können. 

So gesehen sind die Teilnehmer mit ihrer eingereichten Klage in einer guten Ausgangssituation. Denn angesichts der breiten Übernahme der Ausweisungs-Erzählung deutscher Staatsbürger lässt sich nicht von der Hand weisen, dass bei vielen Lesern, selbst renommierten Journalisten, das Fazit das Correctiv-Artikels – nicht gerade fernliegend – auch als tatsächliches Fazit und nicht bloß als überspitzte Meinungsäußerung verstanden wurde. Der geschilderte Ablauf von Sellners Vortrag – viele Seiten vor dem Fazit – verblasste offenbar gegenüber dem wirkmächtigen Resümee, es sei in Potsdam ein „Masterplan zur Ausweisung deutscher Staatsbürger“ präsentiert worden. Grund für diese verbreitete Fehlannahme könnte auch sein, dass der eigentliche Vortag von Sellner nur zusammenfassend geschildert wurde und sich ein Widerspruch zwischen Fazit und Faktenschilderung für viele Leser nicht aufdrängte. Ohnehin ist es mehr als schwierig, in dem Correctiv-Artikel zwischen Meinungsäußerungen und Tatsachenbehauptungen zu unterscheiden.

Wie sind die Erfolgsaussichten der Teilnehmer?

Doch ein Sieg von Vosgerau und Mörig ist gleichwohl alles andere als ausgemacht. Bei Widersprüchlichkeit in einem Artikel tendieren Gerichte oft dazu, die isoliert betrachtete Falschdarstellung als zulässige Meinungsäußerung einzustufen. So etwa jüngst beim rechtspopulistische Medium Nius. Dieses arbeitet regelmäßig mit irreführenden Überschriften. Kürzlich titelte Nius etwa, „Frauen, die nicht mit Männern duschen wollen, sollen Strafe zahlen.“ Erst wer sich die Mühe machte, den Artikel komplett zu lesen, stellt fest, dass die „Strafe“ nicht die „Frauen“ zahlen sollten, sondern das Fitnessstudio, das der Transfrau Zugang verwehrte. Die Berliner Zivilgerichte verneinten gleichwohl eine Falschbehauptung. Aus dem Kontext werde ersichtlich, dass die Überschrift gar nicht so gemeint sei.

Kein Einzelfall. Die Rechtsprechung geht oft von einem Leser aus, der inhaltliche Dissonanzen eines Artikels geradezu detektivisch durch Auslegung ermittelt. Eine eher praxisferne Auffassung: Schließlich lesen viele heute – wie die Rezeption des Correctiv-Berichts zeigt – deutlich oberflächlicher oder „quer“. Einige Leser dürften auch direkt zum Fazit des Artikels scrollen. Nicht selten legen Richter eine akribische Textauslegung an und gehen damit am sogenannten Normalleser vorbei. Jedenfalls sind die Entscheidungsspielräume der Richter in Pressesachen groß. 

Hilfreich für presserechtliche Angreifer ist dabei die Figur der mehrdeutigen Äußerung. Nach der Rechtsprechung besteht ein Unterlassungsanspruch, wenn eine konkrete Aussage in zweierlei Hinsicht verstanden werden kann und eine Auslegungsvariante unwahr ist. Anwalt Brennecke argumentiert hilfsweise mit einer solchen Mehrdeutigkeit. Ob das Landgericht diese Rechtsprechung zur Mehrdeutigkeit auch bei einer sich aus dem Kontext ergebenen Widersprüchlichkeit annimmt, ist zweifelhaft. 

Brennecke verweist zur Untermauerung der Position seiner Mandanten auf einen Beschluss des Landgericht (LG) Berlin I. Die 2. Kammer entschied kürzlich, dass der Correctiv-Bericht den falschen Eindruck von besprochenen Ausweisungsplänen Deutschen vermittele. (Beschl. v. 11.12.2024, Az. 2 O 296/24 eV). Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch darf Correctiv daher der Lüge bezichtigen. Die Erlaubnis des Lügenvorwurfs heißt aber umgekehrt nicht, dass auch erfolgreich gegen den Correctiv-Bericht vorgegangen werden kann. Denn für ein gerichtliches Verbot ist nicht nur ein falscher Eindruck erforderlich, sondern ein zwingender falscher Eindruck. Dies bedeutet im konkreten Fall, dass sich dem verständigen Leser als unabweisliche Schlussfolgerung aufdrängen muss, dass der Masterplan von Potsdam die Ausweisung deutscher Staatsbürger zum Gegenstand hatte. Mit bloßer “Mehrdeutigkeit”, wie bei konkreten Aussagen, ist es hier nicht getan. 

Unredlicher Journalismus nicht zwingend unzulässig

Der Annahme einer unwahren Tatsachenbehauptung wird Correctiv im Prozess wohl ähnlich entgegentreten, wie in einer Stellungnahme gegenüber LTO aus dem Februar 2024. Damals teilte das Medium mit: Da im Fließtext ausführlich geschildert werde, was auf dem Treffen gesagt wird, sei für „abweichende Eindrücke“ durch das Resümee am Schluss des Artikels „kein Raum“. Die zahlreichen Missverständnisse von Medien und Personen belegen zwar das Gegenteil. Doch wird Correctiv im Prozess auch Berichte vorlegen können, die den „Masterplan zur Ausweisung deutscher Staatsbürger“ nicht zur Tatsache erklärt haben. 

Das LG Hamburg muss nun entscheiden, ob ein falsches Fazit deswegen nicht juristisch angreifbar ist, weil die vorherigen Schilderungen das Fazit nicht tragen. Die Erfolgsaussichten sind offen. Gleiches gilt für die weiteren angegriffenen Punkte.

Laut Eigenbeschreibung hat sich Correctiv dem faktenbasierten Diskurs verschrieben. Obwohl massenweise Medien und naheliegend auch Leser und Demonstranten durch den Correctiv-Bericht in die Irre geführt wurden, obwohl das Landgericht Berlin II Correctiv eine falsche Eindruckserweckung attestierte und das Gericht Correctiv dafür kritisierte, das Fazit nicht angepasst zu haben, beharrt das Recherchemedium auf der Formulierung „‚Masterplan zur Ausweisung‘ deutscher Staatsbürger“ als zulässige Meinungsäußerung. Ein Plan, der unstreitig nie in Potsdam erörtert wurde. So zu formulieren, spricht zwar gegen die journalistische Integrität. Doch wie das geschilderte Beispiel bei Nius zeigt, ist unredlicher Journalismus nicht zwangsläufig unzulässig. 

Fakten und Recherchen über Correctiv
https://wikipranger.de/wer-bzw-was-ist-correctiv-wirklich/

https://wikipranger.de/staatlich-subventioniert-um-die-bevoelkerung-zu-manipulieren/

Und nie vergessen das STASI/ANTIFA Portal Amadeu-Antonio-Stiftung