Die Kramer-Affäre schlug hohe Wellen. Doch von verschiedensten Seiten versuchte man die schwerwiegenden Vorwürfe gegen den Präsidenten des Thüringer Verfassungsschutzes kleinzureden. Doch das ist gescheitert.
16.12.2024
„Kampagne gegen Stephan Kramer“, „Rechte Medien“, „Verschwörungsgeschichte“. „Alte Vorwürfe“ – am Freitag trat Thüringens Innenminister Georg Maier vor die Medien und brach sein tagelanges Schweigen zur Kramer-Affäre und wetterte sogleich gegen die Apollo News-Recherche. Die Affäre ist dem Minister sichtlich unangenehm. Er und zahlreiche andere Politiker und Journalisten hatten das Thema bislang gekonnt vermieden.
Doch nun, mit einem Untersuchungsausschuss im Landtag, konnte Maier nicht mehr anders. Seine bisherige Strategie des Totschweigens war nicht aufgegangen. Auch in etablierten Medien schlug die Kramer-Affäre am Freitag durch. Welt, Zeit Online, Tagesschau – überall konnte man über die schweren Vorwürfe gegen den Thüringer Verfassungsschutzpräsidenten Stephan J. Kramer lesen.
Doch bis dahin war es ein langer Weg. Auch am Freitag versuchten Maier und andere Thüringer Politiker, die Vorwürfe gegen Kramer kleinzureden. Davor hatten Experten und Aktivisten mit verschiedensten Taktiken versucht, die Affäre zu verschleiern und die fehlende Berichterstattung zu rechtfertigen. Die Vorwürfe gegen die Recherche reichten dabei etwa wie bei Maier von „alles alt“ bis hin zu „Antisemitismus“.
Alles nur alte Vorwürfe?
Bereits am Dienstag, einen Tag nach der Veröffentlichung der schweren Vorwürfe gegen Kramer, meldete sich der damalige Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow, mit einem dubiosen Beitrag auf X (vormals Twitter) zu Wort. Er nannte die Recherche eine „Schmutzkampagne“ und versuchte es mit einer Tabelle zu untermauern, die Apollo News als ein „dubioses Medium“ mit „rechtslibertärer“ Ausrichtung einordnete.
Vor allem stachen aber zwei Sätze zu den Vorwürfen heraus: „Alles in 2019 bekannt, öffentlich und überprüft. Was ist denn nun daran neu?“ Er stieß damit ins gleiche Horn, wie auch später Innenminister Maier, der Stern-Reporter Martin Debes oder der Thüringer Staatssekretär Udo Götze. Der Vorwurf bleibt dabei immer der gleiche: Die durch Apollo News aufgedeckten Missstände im Thüringer Amt für Verfassungsschutz seien in der Öffentlichkeit bereits lange bekannt.
Deshalb würde die Recherche sowieso keine Relevanz besitzen und würde nur erneut aufgebracht werden, um Stephan Kramer in einer Art Schmutzkampagne zu schaden. Ein logisches Motiv für die vermeintliche Schmutzkampagne, an der sich auch zahlreiche Medien, etwa der Cicero oder die Berliner Zeitung, beteiligen, erschließt sich deshalb aber nicht.
Doch die Behauptung Ramelows und anderer ist schlichtweg erwiesenermaßen falsch. Alles an der Recherche ist neu. Freilich griff Apollo News auch alte Vorwürfe auf, etwa Kramers Foto mit den Nachtwölfen. Das wurde jedoch im Text transparent gekennzeichnet und auf die bereits bestehende Berichterstattung hingewiesen. Alles, was Apollo News exklusiv veröffentlicht hat, war auch exklusiv.
Das beinhaltet etwa das Disziplinarverfahren gegen Kramer, aufgrund des Verdachts, er habe sich mit Journalisten unrechtmäßig über einen Mitarbeiter seines Amtes ausgetauscht (Apollo News berichtete ausführlich). Deshalb stand Kramer sogar unter Verdacht, ein „Sicherheitsrisiko“ für die Behörde darzustellen. Auch die Vorwürfe rund um das Unterschlagen des Ergänzungsgutachtens zur Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextrem“ sind völlig neu (Apollo News berichtete ausführlich), ebenso wie die Vorwürfe der Androhung von körperlicher Gewalt gegen einen Mitarbeiter des Amtes. Die Liste dieser erstmals am Montag publik gemachten Vorwürfe lässt sich noch weiterführen.
Dass die Enthüllungen tatsächlich exklusiv sind, lässt sich auch an der Reaktion aus der Politik ablesen. Nach der Recherche wurde bereits eine Aktuelle Stunde im Landtag abgehalten, ebenso steht die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses bereits fest. Das wirkt wohl kaum so, als ob Politik und Öffentlichkeit – einschließlich Opposition – von den Vorwürfen gegen Kramer wussten.
Vielleicht aber möchte Ramelow auch damit zugeben, dass ihm als Ministerpräsident die Vorwürfe bereits bekannt waren. Dann stellt sich jedoch die Frage, weshalb er nichts für die interne Aufarbeitung des Skandals tat.
Gehört das nicht in die Öffentlichkeit?
Enttäuscht wurde Apollo News bei unseren Anfragen an das Thüringer Innenministerium. Immer wieder wies man verschiedene Fragen bezüglich der Kramer-Affäre als „Personalangelegenheiten“ zurück und beantwortete sie schließlich nicht. Auch der Staatssekretär Udo Götze nahm in seiner Rede zur Kramer-Affäre vor dem Landtag mit dieser Begründung keine Stellung zu den meisten Vorwürfen.
Die BSW behandelt die Frage ähnlich. Die Partei, die in ihrer jungen Geschichte bereits jetzt der Thüringer Landesregierung angehört, setzte sich während der Aktuellen Stunde für eine diskrete Behandlung der Vorwürfe, nämlich im nicht-öffentlichen Teil des Innen- und Kommunalausschusses des Landtags, ein.
So möchte man offensichtlich die Affäre aus der Öffentlichkeit drängen. Eine nicht-öffentliche Aufarbeitung ist bisher auch nicht erfolgt, trotz schwerwiegender Vorwürfe. Kramer verstand es unterdessen wie kein Zweiter, die nicht-öffentlichen Arbeitsetikettierungen des Verfassungsschutzes, wie etwa der „Prüffall“ oder die Einstufung als „gesichert rechtsextrem“ an die Presse zu tragen. Nun soll Kramers Personalie, der immer wieder in Interviews und Fernsehsendungen als öffentliche Person auftritt, eine reine „Personalangelegenheit“ sein, die man nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandelt.
Eine „Kampagne rechter Medien, forciert von der AfD“?
Wie bereits erwähnt, warf Ramelow Apollo News bei der Recherche eine politische Haltung vor. Immer wieder sprachen Landtagsabgeordnete, etwa die Abgeordnete König-Preuß, von einer von der AfD unterstützten oder gar forcierten „Kampagne rechter Medien“. Apollo News wurde immer wieder in die rechte Ecke hinein fantasiert. Dabei sind die Vorwürfe erneut absurd.
Apollo News konnte während der Recherche mit Insidern sprechen und dutzende Seiten interner Dokumente aus dem Thüringer Verfassungsschutz auswerten. Die Enthüllungen waren nicht auf Ideologie, sondern auf Fakten gestützt. Wem die Recherche dabei vermeintlich nützt oder nicht nützt, war vollkommen unerheblich. Am Ende wurden massive Missstände im Thüringer Inlandsgeheimdienst aufgedeckt. Wer die Vorwürfe aufgrund der vermeintlich „rechten“ Recherche nicht ernst nehmen möchte, entblößt seine eigene ideologische Borniertheit.
Gleichzeitig wurde der Vorwurf auch durch die breite Berichterstattung in den Medien entkräftet. Wie bereits erwähnt, schlossen sich zahlreiche andere Medien der Apollo News-Berichterstattung an.
Indessen hat sich gezeigt: Journalisten und Politiker wollten die Affäre unterdrücken. Dabei waren die Motive anscheinend vollkommen unterschiedlich. Während man im MDR und den anderen Öffentlich-Rechtlichen Sendern um einen möglichen Skandal rund um die MDR-Journalisten Ludwig Kendzia und Axel Hemmerling fürchtete, muss der Thüringische Innenminister Georg Maier erklären, wie Kramer so lange ohne Grenzen agieren konnte.
Nach einer Woche der Verschleierung beginnt bald die Aufarbeitung der Kramer-Affäre. Apollo News wird darüber auch weiterhin berichten. Der Untersuchungsausschuss im Thüringer Landtag soll nun die ganzen Vorgänge aufklären. Immerhin die CDU und die AfD redeten die Affäre am Freitag nicht klein, sondern bemühten sich um Aufarbeitung.