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https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/creditreform-auswertung-so-viele-firmenpleiten-wie-zuletzt-2015-a-599099fc-eb79-4db9-9045-35b0bd4b4c46
Im vergangenen Jahr ist die Zahl der Insolvenzen deutlich gestiegen – in einzelnen Monaten laut IWH sogar auf neue Höchststände. Ökonom Steffen Müller nennt dafür mehrere Gründe. 06/01/25
Die Zahl der Firmenpleiten in Deutschland liegt nach Einschätzung des Insolvenzforschers Steffen Müller in etwa auf dem Niveau zu Zeiten der Finanzkrise 2009. »Wir sind in der Größenordnung, wo einzelne Monate durchaus 20-Jahres-Hochs abgeben«, sagt der Leiter der Insolvenzforschung am Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Steffen Müller.
»Wir hatten zu Zeiten der Finanzkrise 2009 um die 1400 insolvente Personen- und Kapitalgesellschaften pro Monat. Jetzt haben wir das Niveau wieder erreicht.« Damals sei aber noch in etwa die gleiche Zahl an insolventen Kleinstunternehmen dazugekommen. Derzeit seien es nur noch etwa 500. Aufgrund der jetzt größeren Unternehmen gehe verstärkt wirtschaftliche Substanz in die Insolvenz.
Creditreform-Auswertung So viele Firmenpleiten wie zuletzt 2015
»Krisen schlagen durch«: 2024 hat es laut einer Auswertung von Creditreform fast ein Viertel mehr Firmenpleiten gegeben. Nächstes Jahr könnte es noch schlimmer werden.
Die Wirtschaft schwächelt, die Kosten etwa für Energie, Material oder Löhne sind kräftig gestiegen: Die aktuelle Wirtschaftskrise sorgt in Deutschland einer Studie zufolge 2024 für so viele Firmenpleiten wie seit fast einem Jahrzehnt nicht mehr.
Konkret dürfte die Anzahl der Insolvenzen um 24,3 Prozent auf 22.400 zugenommen haben, wie aus den nun veröffentlichten Berechnungen der Wirtschaftsauskunftei Creditreform hervorgeht. Zuletzt gab es 2015 mit 23.180 Fällen eine höhere Zahl.
»Mit einiger Verzögerung schlagen die Krisen der vergangenen Jahre nun als Insolvenzen bei den Unternehmen durch«, sagte der Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch. »Der wirtschaftspolitische Stillstand und die rückläufige Innovationskraft haben den Wirtschaftsstandort Deutschland geschwächt.«
Auch immer mehr größere Unternehmen betroffen
Während der Coronakrise hatte es einen Rückgang der Insolvenzen gegeben, die Regierung hatte die Antragspflicht ausgesetzt. Inzwischen mussten aber viele Unternehmen, die sich noch über die Pandemie gerettet hatten, doch Insolvenz anmelden.
Im kommenden Jahr sei mit einem weiteren Anstieg zu rechnen, sagte Hantzsch. »Damit könnten bald wieder Insolvenzzahlen nahe an den Höchstwerten der Jahre 2009 und 2010 in Sichtweite kommen, als über 32.000 Unternehmen in die Insolvenz gingen.«
Die Mehrheit der Insolvenzen im zu Ende gehenden Jahr betrifft laut Auswertung Kleinstunternehmen mit höchstens zehn Beschäftigten. Diese machten 81,4 Prozent aller Fälle aus.
Auffällig sei jedoch der überdurchschnittliche Anstieg bei größeren Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten. Hier seien die Fallzahlen um 44,4 Prozent gestiegen. »Ihr Anteil am Insolvenzaufkommen bleibt zwar gering, doch die Folgen von Großinsolvenzen sind erheblich: hohe Forderungsausfälle und Arbeitsplatzverluste«, sagte Creditreform-Geschäftsführer Bernd Bütow.
Besonders besorgniserregend sei die Zunahme sogenannter »Ketteninsolvenzen«. Die anhaltenden Krisen der vergangenen Jahre – von Corona bis hin zur Inflation – hätten zahlreiche Unternehmen ausgezehrt und förderten nun diese Dynamik.
Die Analyse zeigt auch einen deutlichen Anstieg der Gläubigerschäden. Die geschätzte Schadenssumme beläuft sich auf 56 Milliarden Euro, nach 31,2 Milliarden im vergangenen Jahr. Die Zahl der bedrohten oder weggefallenen Arbeitsplätze dürfte von 205.000 auf rund 320.000 steigen. Großinsolvenzen wie die von Galeria Karstadt Kaufhof und FTI Touristik hätten dazu beigetragen.
Die Insolvenzen nahmen in allen Wirtschaftsbereichen zu. Besonders betroffen waren den Angaben nach die Dienstleister mit einem Anstieg von 27,1 Prozent, gefolgt vom verarbeitenden Gewerbe mit 23,9 Prozent. Die höchste Insolvenzquote – gemessen an den Insolvenzen pro 10.000 Unternehmen – entfiel auf das Baugewerbe mit 97.
Auch die Zahl der Verbraucherinsolvenzen sei 2024 gestiegen, hieß es von Creditreform. Insgesamt wurden 72.100 neue Verfahren registriert – ein Plus von 8,5 Prozent. Hauptursachen dafür seien die stark gestiegenen Lebenshaltungskosten und höhere Kreditzinsen, die die Verbraucher erheblich belasteten. Zusätzlich verschärft werde die Lage durch den zunehmenden Abbau von gut bezahlten Arbeitsplätzen.