Mehr Fehlgeburten nach Covid Impfung – Artefakt oder Warnhinweis?

Ob Impfungen in der Schwangerschaft ein Risiko für das ungeborene Kind darstellen, ist seit Einführung der COVID-mRNA-Impfstoffe eine viel diskutierte Frage. Gesundheitsbehörden weltweit haben sich früh für die Impfung auch in der Schwangerschaft ausgesprochen – gestützt auf kleinere Studien und Sicherheitsdaten, die meist aus Fall-Kontroll-Designs oder Registeranalysen ohne direkt vergleichbare Kontrollgruppen stammen. Eine der ersten vielzitierten Arbeiten stammt etwa von Shimabukuro et al., publiziert 2021 im New England Journal of Medicine. Die Studie umfasste gerade mal gut 800 Schwangere Frauen!  Auch spätere systematische Übersichtsarbeiten bestätigen, dass die meisten Daten aus nicht-randomisierten Studien stammen, häufig mit potenziellen Verzerrungen durch Auswahl- oder Erfassungsbias.

Eine neue israelische Studie bringt nun frische Perspektiven in diese Debatte – mit einer besonders breiten Datengrundlage und einer ungewöhnlich sorgfältigen methodischen Umsetzung. Sie wurde zwar noch nicht in einer Fachzeitschrift publiziert, ist aber als Preprint vollständig einsehbar (Guetzkow et al., ResearchGate 2025). Die Studie analysiert Fehlgeburtenraten nach COVID-mRNA- und Influenzaimpfung in der Schwangerschaft – mit einem Ergebnis, das zum Nachdenken anregt.

Ein nationales Gesundheitsregister als Datengrundlage

Die israelische Studie nutzte elektronische Daten der vier grössten Krankenkassen Israels, die gemeinsam rund 90 % der Bevölkerung abdecken. Erfasst wurden alle bestätigten Einlingsschwangerschaften zwischen 2016 und 2022, insgesamt über 226’000 Fälle. In der Hauptanalyse wurde untersucht, ob eine Impfung mit einem mRNA-COVID-Impfstoff während der Frühschwangerschaft – definiert als Schwangerschaftswoche 8 bis 13 – mit einer veränderten Fehlgeburtenrate einherging.

Warum gerade dieses Zeitfenster? Weil hier das Risiko für eine Fehlgeburt natürlicherweise am höchsten ist. Laut CDC ereignen sich etwa 80 % aller Fehlgeburten im ersten Trimenon (CDC – Reproductive Health), mit einem Schwerpunkt zwischen der 6. und 10. Schwangerschaftswoche.

Als Vergleichsdaten dienten Schwangerschaftsverläufe aus den Jahren 2016–2018, also vor Beginn der Pandemie. Auf dieser Basis modellierte das Forschungsteam eine erwartete Fehlgeburtenrate für jede individuelle Schwangerschaft – unter Berücksichtigung von Alter, Vorerkrankungen und Schwangerschaftswoche. Dieser Wert wurde dann mit der tatsächlich beobachteten Abortrate nach der Impfung verglichen. Zusätzlich wurde die Influenzaimpfung als Referenz mit ausgewertet – ebenfalls Impfungen während der 8.-13. Schwangerschaftswoche.

Das Ergebnis: mehr Fehlgeburten nach COVID-mRNA-Impfung

Die Auswertung zeigt ein klares Bild: Nach einer COVID-mRNA-Impfung in der Frühschwangerschaft kam es signifikant häufiger zu Fehlgeburten als erwartet. Der beobachtete Überschuss lag bei rund 3.9 zusätzlichen Fehlgeburten pro 100 Schwangerschaften (95 % Konfidenzintervall: 2.6–5.1). Besonders auffällig: Dieser Effekt war nicht nur in den ersten Wochen nach der Impfung sichtbar, sondern zeigte sich auch nach der 25. Schwangerschaftswoche, also im Bereich später fetaler Verluste. Fast die Hälfte der vermutlich durch die Impfung verursachten Fehlgeburten erfolgten in dieser späten Schwangerschaftsphase. Auch nach der Booster-Impfung zeigte sich ein ähnlicher, wenn auch etwas abgeschwächter Trend.

Die folgende Abbildung aus der Studie zeigt die aus den Vorjahren berechnete zu erwartende Fehlgeburtenrate (y-Achse) während den Schwangerschaftswochen 8 bis 27 (x-Achse). Die schwarze Linie ist die beobachtete Rate während der Corona-Phase. Links die Analyse für die Covid-Impfung, rechts für die Grippeimpfung.

(Achtung: in der ersten Version war hier die falsche Grafik eingepflegt. Ich bedanke mich beim Leser, der mich darauf aufmerksam gemacht hat)

Ganz anders das Bild bei der Influenzaimpfung: Hier lag die beobachtete Fehlgeburtenrate deutlich unter der erwarteten – mit etwa 5 weniger Aborten pro 100 Schwangerschaften. Auf den ersten Blick sieht das nach einem schützenden Effekt der Grippeimpfung aus. Doch dieser Befund verdient eine genauere Einordnung.

Der Healthy Vaccinee Bias – eine Erklärung für den Unterschied

Wenn in einer Beobachtungsstudie nach einer Impfung weniger Komplikationen auftreten als statistisch erwartet, ist Vorsicht geboten. Denn meist handelt es sich dabei nicht um einen echten Schutzeffekt, sondern um einen sogenannten Healthy Vaccinee Bias. Dieser beschreibt das Phänomen, dass gesündere oder besonders gesundheitsbewusste Personen eher bereit sind, sich impfen zu lassen – und dadurch statistisch besser abschneiden, auch wenn die Impfung selbst keinen direkten Effekt hat.

Genau das dürfte hier bei der Influenzaimpfung der Fall sein. Dass die Abortrate nach Grippeimpfung deutlich unter der erwarteten lag, ist epidemiologisch auffällig – aber aus biologischer Sicht wenig plausibel. Ein protektiver Effekt der Influenzaimpfung auf den Schwangerschaftsausgang ist bisher nicht dokumentiert. Deshalb spricht vieles dafür, dass es sich um ein klassisches Bias-Phänomen handelt. Auch der Erstautor der Studie diskutiert diesen Punkt offen in einem begleitenden Blogbeitrag und verweist auf genau diesen Zusammenhang.

Spannend wird es, wenn man diesen Gedanken auf die COVID-Impfung überträgt. Denn auch hier ist anzunehmen, dass impfwillige Schwangere im Durchschnitt gesundheitsbewusster waren als impfkritische – was ebenfalls zu einer Verzerrung in Richtung zu niedriger Fehlgeburtenrate führen müsste. Dass die Abortrate nach COVID-mRNA-Impfung trotzdem signifikant höher lag, deutet darauf hin, dass der tatsächliche Effekt noch grösser sein könnte, als beobachtet.

Zahlreiche Kontrollanalysen

Die Autoren haben verschiedene Kontrollen eingebaut um zu prüfen, ob ihre Berechnung der „erwarteten Fälle“ aufgrund der Vorperiode 2016-2018 korrekt sei. Zunächst haben sie ihre Methode mit einer zweiten Periode (2018-2020) überprüft und zeigten, dass die erwarteten Zahlen einen guten Voraussagewert hatten.

Dann haben sie untersucht, ob die Fehlgeburtrate bei Frauen, welche VOR der Schwangerschaft eine Impfung erhielten, auch verändert war, was nicht der Fall war (respektive leicht unter der Erwartung für Covid-Impfung und Influenza-Impfung).

Als nächstes haben sie untersucht, ob der Effekt auch auftrat, wenn die Frauen zu einem späteren Zeitpunkt geimpft wurden. Auch hier zeigte sich, dass die Erhöhung der Fehlgeburtrate abnimmt, je später die Impfung erfolgt. Das bestätigt, was wir biologisch vermuten würden: Wenn die Impfung zur Fehlgeburt führt, dann würden wir diesen Effekt am höchsten erwarten, wenn die Impfung in Woche 8-13 erfolgt, was auch der Fall war.

Was könnte sonst noch dahinterstecken?

Die Studie unterscheidet nicht zwischen verschiedenen Arten von Schwangerschaftsverlusten – etwa spontanen Fehlgeburten, medizinisch indizierten Abbrüchen (z. B. bei fetalen Fehlbildungen) oder freiwilligen Schwangerschaftsabbrüchen. Man könnte also hypothetisch argumentieren, dass während der COVID-Pandemie häufiger Schwangerschaften abgebrochen wurden – etwa aus Sorge vor möglichen Schäden durch das Virus oder die Impfung.

Gegen diese Erklärung spricht, dass es keine Hinweise auf einen generellen Anstieg von Schwangerschaftsabbrüchen in dieser Zeit gibt. Auch in der Schweiz wurde diese Hypothese untersucht – etwa in einem gemeinsam mit dem Gesundheitsökonomen Konstantin Beck verfassten Artikel auf corona-elefant.ch. Dort zeigten wir: Während der Pandemie gab es keinen Anstieg der Abbruchzahlen, wohl aber eine deutliche Abnahme der Geburtenrate bei jüngeren Frauen – auffällig zeitgleich mit der Einführung der COVID-Impfung.

Fazit: ein wichtiges Signal – keine Panik, aber offene Fragen

Die neue israelische Studie ist methodisch stark, basiert auf einer aussergewöhnlich grossen Datenbasis und liefert erstmals ein klares, quantifizierbares Signal für eine erhöhte Fehlgeburtenrate nach COVID-mRNA-Impfung in der Frühschwangerschaft. Dass in derselben Studie bei der Influenzaimpfung ein gegenteiliger Effekt zu sehen ist, macht das Ergebnis noch bedeutsamer – denn es zeigt, dass eine völlig andere Impftechnologie innerhalb derselben Population nicht zu den gleichen Effekten führt.

Natürlich ist diese Studie keine abschliessende Risikobewertung. Sie ist kein Beweis für eine Kausalität – aber sie liefert eine gut dokumentierte Beobachtung, die in der öffentlichen Diskussion bislang fehlte. Es braucht mehr solcher Studien, idealerweise auch in anderen Ländern und mit differenzierterer Erfassung der Abortarten. Aber bis dahin sollte dieses Ergebnis ernst genommen werden. Nicht panisch – aber mit der nötigen wissenschaftlichen Neugier und intellektuellen Redlichkeit.

Weshalb das wichtig ist

Vielleicht denken Sie, es würde sich heute ohnehin keine schwangere Frau mehr gegen Covid impfen lassen. Mag sein. Aber: Das BAG (hier) und auch die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (hier) empfehlen immer noch die Impfung von Schwangeren, insbesondere im Winter. Ich würde behaupten, dass heute, wo jede junge Frau schon mindestens einmal an Covid erkrankt war, das Risiko einer schweren Covid-Erkrankung für eine schwangere Frau praktisch null ist. Das in dieser Studie vermutete um 3% erhöhte Risiko einer Fehlgeburt ist mit Sicherheit deutlich höher als das Risiko einer schweren Covid-Erkrankung. Es ist höchste Zeit, dass auch die Europäischen Staaten die Impfempfehlungen etwas überdenken, so wie das das CDC für die USA getan hat (Jama 2025).

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